3. Quartalsbericht

Hallo Leute,

Neun Monate sind um. Das heißt für mich als weltwärts Freiwillige auch, dass der nächste Quartalsbericht geschrieben werden muss. Den möchte ich gerne mit euch Teilen:

Neun Monate in Dar es Salaam sind vorbei. Wieder drei Monate, in denen ich viel gelernt habe.

Ich denke, dass sich insbesondere mein Umgang mit der tansanischen Kultur verändert hat.

Ich erfrage und diskutiere viel mehr über kulturelle Unterschiede, vielleicht, weil ich offener geworden bin, oder einfach nur, weil mein Swahili immer besser wird.

Vor allem in dem zweiten Heim von Watoto Wetu, das auf dem Land, weit weg von Dar es Salaam liegt, lerne ich viel. Zum Beispiel habe ich mit einem Mädchen aus dem Heim die im Dorf ansässigen Massai besucht und mit ihnen Tee getrunken, während uns von ihren Traditionen erzählt wurde.

Im Heim lerne ich auch, wie man auf Essen auf tansanische Weise zubereitet. Zum Beispiel kann ich jetzt Mandazi kochen, oder aus einer Kokosnuss zuerst Raspeln und anschließend Milch machen.

Ich finde es wahnsinnig interessant, mit verschiedenen Menschen über ihren Glauben zu sprechen und zu erfahren, warum sie genau das glauben.

Eine Person, mit der ich mich sehr viel über unterschiedliche Kulturen austausche, ist Gasper. Gasper ist ein Mitarbeiter im Heim und quasi ein wandelndes Lexikon. Es fasziniert mich, wie er fast für jede meiner Fragen, sei es über kulturelle Dinge, die ich nicht verstehe oder die Sprache, eine Antwort hat. So kann man mit ihm stundenlang über verschiedene Glaubensrichtungen, Naturmedizin oder über den Swahilidialekt den die Menschen in Arusha sprechen reden.

Es gibt aber auch Gesprächsthemen, die für mich sehr schwierig sind. Oft muss ich an eine Konversation denken, in der ich mit einem ehemaligen Schüler aus dem Heim über Homosexualität gesprochen habe. Er vertritt die Meinung der Regierung, für die Homosexualität strafbar ist. Ich hingegen habe, was dieses Thema angeht, eine sehr liberale Sichtweise und befürworte daher Rechte für Schwule und Lesben. Der Schüler sagte mir ins Gesicht, dass alle Schwulen in die Hölle kämen, genauso wie die Weißen, die alles mit ihrer liberalen Sichtweise verpesten. In Deutschland hätte ich einer Person, die solch eine Meinung vertritt, ordentlich meine Meinung gesagt und erklärt, was ich von solchen Aussagen halte. Aber hier ist es anders. Hier ist diese abweisende Haltung bei sehr vielen Menschen noch viel tiefer kulturell verankert. Ich kann nicht einfach wie ein Elefant durch den Porzellanladen laufen. Wie verhalte ich mich richtig? Es war eine wahnsinnig schwere Situation. Ich habe ihm durchaus gesagt, dass ich Homosexualität für keine Sünde halte, aber das habe ich sehr vorsichtig getan. Innerlich wollte ich schreien, wie man solche Dinge nur sagen kann. Aber ich weiß: Die meisten (auch liebenswürdigen) Menschen werden mit dieser Haltung erzogen. Wäre ich denn anders, wenn ich hier, oder auch in Deutschland in einem weniger liberalen Umfeld, aufgewachsen wäre?

Was mich auch immer wieder frustriert, sind die Vorurteile, die gerade die Kinder bei uns im Heim, die jedes Jahr fast jeden Tag mit Freiwilligen zu tun haben, Weißen gegenüber haben. Ich spüle Geschirr mit ihnen oder für sie, ich koche, ich wasche ihre Kleidung. Und trotzdem heißt es oft, wenn ich eine dieser Tätigkeiten ausüben will, dass ich das doch nicht kann. „Weiße können nicht kochen“. „Jeder Weiße hat eine Spülmaschine, also können die kein Geschirr waschen“. Manchmal frage ich dann, wieso sie so etwas sagen. Dann heißt es „die eine Weiße aus dem Fernsehen hat einen Geschirrspüler“ oder einfach „weil ihr Weißen das nicht könnt“. Ich sage ihnen dann, dass das so nicht stimmt und dass sie doch sehen, wie ich und auch andere Freiwillige sehr wohl diesen Tätigkeiten nachgehen können. Und trotzdem glauben sie es nicht. Obwohl sie es mit eigenen Augen sehen.

Wie soll man denn gegenseitige Vorurteile abbauen, wenn es nicht mal mit Menschen, die jeden Tag mit Weißen zu tun haben funktioniert?

Dar es Salaam ist eine an vielen Stellen sehr dreckige, beziehungsweise vermüllte Stadt. Deshalb freut es mich, vielleicht auch entwicklungspolitisch betrachtet, dass seit dem ersten Juni in Tansania ein Verbot von Plastiktüten herrscht. Da ist Tansania Deutschland schon einen Schritt voraus.

Die Situation in der Einsatzstelle hat sich auch nach Gesprächen mit Theobald, meinem Koordinator und meinem Chef nicht geändert. An den meisten Tagen sitze ich nur rum und habe nichts zu tun. Und wenn ich etwas mit den Kindern mache, zum Beispiel Tanzen oder Basteln, werden spätestens nach fünf Minuten die meisten Kinder zur Hausmutter beordert, um plötzlich irgendwelche Dinge für sie zu erledigen. Es ist sehr frustrierend. Mir werden normal keine Aufgaben erteilt und wenn ich mir selbst welche suche, dann werden diese ständig durch die Hausmutter verhindert. Ich liebe „meine“ Kinder und ohne Freiwillige gäbe es wirklich kaum jemanden der mal mit ihnen spielen oder andere schöne Dinge unternehmen würde. Aber ich denke trotzdem, dass Watoto Wetu als Einsatzstelle einfach ungeeignet ist. Es gibt ja noch das zweite Heim, das drei Stunden außerhalb liegt, neben dem momentan nach und nach Klassensäle für die Dorfkinder erbaut werden. Jedoch sind dort fast alle Heimkinder während der Schulzeit auf Internaten und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es auch nur eine kleine Vorschulklasse. Es ist sehr schön und ich bin gerne dort, wobei es sich momentan genauso wenig als Einsatzstelle eignet. Aber vielleicht in ein paar Jahren.

Persönlich bringt mir mein Dienst auf jeden Fall Gelassenheit. Alleine schon in der Einsatzstelle muss ich fast jeden Tag feststellen, dass die Dinge nicht so laufen, wie man es gerne hätte. Pläne werden durchkreuzt, Leute kommen zu spät und das ist in Ordnung. Früher hätte es mich wahnsinnig gemacht, ständig alles umplanen zu müssen. Jetzt weiß ich, dass es für so ziemlich alles eine Lösung geben wird.

Was mir auch immer wieder klar wird, ist, wie privilegiert ich doch bin. Ich merke, dass ich viele Dinge, die für mich selbstverständlich sind, mehr wertschätzen sollte. Wenn es mir schlecht geht, gehe ich zum Arzt. Klar, denn ich habe ja eine gute Versicherung. Meine Nachbarin hingegen muss zehnmal überlegen, ob sie ins Krankenhaus geht und damit das Geld verbraucht, dass sie eigentlich für andre Dinge gebraucht hätte. Genauso, dass ich in Deutschland immer Zugang zu sauberem Wasser habe, ist etwas, was ich, wie noch viele weitere Dinge, vielleicht für viel zu selbstverständlich gehalten habe.

Die Gedanken an den restlichen Verlauf meines Jahres hier fallen mir schwer. Einerseits freue ich mich natürlich auf Deutschland, meine Familie, meine Freunde, Käse und ordentliches Brot. Aber ich liebe auch mein Leben hier. Ich bin eigentlich noch nicht bereit dafür, dass es bald zu Ende geht. So viele Dinge, die ich noch nicht gemacht, gesehen oder gelernt habe und so vieles, das ich hinter mir lassen muss.

Aber auf ein paar Dinge in den kommenden zweieinhalb Monaten freue ich mich schon sehr. Im Juli wollen meine Mitfreiwillige und ich eine Reise durch Ostafrika machen und dabei andere Freiwillige besuchen, neue Orte und andere Kulturen kennenlernen. Und für die Heimkinder planen wir gemeinsam einen Ausflug in ein Spaßbad oder an den Strand.

Ich werde auf jeden Fall die restliche Zeit hier genießen und hoffe, dass die Zeit so langsam wie möglich vergeht.

Das war’s mit meinem Bericht. Ich hoffe, ich konnte euch einen guten Einblick in die vergangen Monate geben.

Bis dann

Eure Tine